Anm.: Vor Kurzem interviewte uns das Underdog-Fanzine. Wir veröffentlichen das Interview hier ebenfalls. Viel Spaß beim Lesen!
Mit einer wilden Mischung aus Beiträgen rund um das Thema Anarchie und Kultur bietet der Libertäre Podcast des „A-Radio Berlin“ einen ernsten und satirischen Blick auf Ereignisse des letzten Monats aus libertärer Perspektive.
Das A-Radio Berlin ist ein Zusammenschluss verschiedener Berliner Anarchist*innen, die gemeinsam Radiobeiträge mit libertären Inhalten erstellen. Dabei orientieren sie sich an den Grundsätzen der gegenseitigen Hilfe und Solidarität sowie des Widerstands gegen jede Form von Diskriminierung, Unterdrückung und Herrschaft.
Mit welchem Ziel wurde das A-Radio gestartet?
Anna: Das Anarchistische Radio Berlin, oder kurz A-Radio Berlin, hatte zwei Entstehungsphasen. Ursprünglich gegründet wurde es bereits 2009 direkt vor der damaligen Bundestagswahl, als wir spontan die Möglichkeit erhielten, uns im Rahmen einer breiter angelegten linksradikalen Infoschiene an einem temporären Radioprojekt (also über eine Frequenz) zu beteiligen. Das ging dann ca. vier Monate bis 2010. Damals waren auch noch ganz andere Leute dabei und das Ganze war eher ein Spielen mit libertären Inhalten denn eine ausgereifte Idee, oder dass wir gar ein Ziel vor Augen gehabt hätten. Am ehesten hatten wir die Idee, das Medium Radio zu nutzen, um anarchistische Inhalte weiter zu verbreiten und vielleicht auch Menschen zu erreichen, die noch eine ganz andere Vorstellung von Anarchismus haben als wir, was uns im Zusammenhang mit den Wahlen als ganz reizvolle Aufgabe erschien.
Maxi: Mangels Sendemöglichkeit, da es in Berlin kein Freies Radio gibt, und aufgrund der fehlenden Rahmenbedingungen für ein stabiles Piratenradio-Projekt verfiel das Projekt recht schnell nach dieser Projektradio-Phase und lebte erst 2012 wieder auf. Teile der ehemaligen Gruppe entwickelten dann ein Konzept zum Radiomachen ohne Radio, heute häufig als Podcast verstanden, obgleich wir mit dem technischen Drumherum von Podcasts nichts am Hut haben und unser Konzept sich so runterbrechen lässt: Wir veröffentlichen alle unsere Audios im Internet und stellen diese zudem auf der Plattform der Freien Radios allen Radioprojekten zum Senden zur Verfügung, was auch tatsächlich regelmäßig passiert. Wir sind also doch im Radio zu hören (seit 2017 auch in Berlin…)!
Anna: Für diesen Neustart hatten wir auch schon ein klares Sendungskonzept, was Aufbau und Regelmäßigkeit angeht: Immer am Monatsanfang den „Libertären Podcast“ und unregelmäßig andere Beiträge, die darin keinen Platz gefunden hatten. 25 Minuten sollte er lang sein, damit er bequem in einem Halbstunden-Slot von Freien Radios Platz hat, und zwei Teile, ein „ernster“ und ein satirischer. Relativ bald stellte sich heraus, dass wir mit 25 Minuten nicht auskommen würden und wir erweiterten das Ganze auf eine Stunde. Auch das Konzept wurde noch weiter ausgefeilt.
Als was für eine Gruppe versteht ihr euch?
Maxi: Wir verstehen uns als anarchistische, antiautoritäre Gruppe. Ich würde uns als ziemlich pluralistisch und undogmatisch bezeichnen. Der passende Fachbegriff dazu wäre wohl „Synthetischer Anarchismus“.1
Anna: Wir verstehen uns nicht als Journalist*innen. Medienaktivist*innen trifft‘s wohl eher, weil wir keine unparteiische Berichterstattung anstreben, sondern oft eher ein Sprachrohr unserer Szene sind.
Maxi: Wir sind aber nicht nur eine Gruppe, die Audios produziert, sondern verstehen uns auch als politisches Kollektiv und sind in diesem Zusammenhang in der Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA)2 organisiert, wo wir an gemeinsamen Kampagnen und Projekten arbeiten und uns gegenseitig unterstützen.
Was macht das A-Radio als libertär-alternatives Bewegungsmedium so wertvoll?
Anna: Da gäbe es so vieles zu sagen. Erstmal auf jeden Fall das Format. Zwar ist in den letzten Jahren die Zahl anarchistischer Audioprojekte gestiegen, die meisten sind jedoch Live-Sendungen, die nur lokal empfangen werden oder von wenigen Menschen im Livestream angehört werden. Als Audio- oder Podcast-Projekt haben wir noch immer Seltenheitswert und schließen damit die Lücke zwischen den Printmedien und den Videoformaten (von denen es auch viel zu wenige gibt). Mit Audios können wir ganz andere Sinne ansprechen als das mit einem Text möglich wäre, es bietet auch eine ganz andere Authentizität und Unmittelbarkeit. Auch bietet es ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten, die Rede ist von Collagen, Hörspielen usw. Töne sind eben noch einmal eine ganz andere Geschichte und helfen oft, Sachen noch besser aufzunehmen.
Maxi: Aber wir beschränken uns ja auch nicht auf die reine Produktion von Audios. Wir schauen häufig auch nach spannenden Veranstaltungen und bieten uns an, um diese zu dokumentieren. Immer häufiger werden wir auch von außen gebeten, genau das zu tun. Für uns hat diese Tätigkeit zwei große Bedeutungsebenen: Erstens dient das A-Radio damit auch als Audioarchiv für viele Veranstaltungen, deren Inhalt sonst längst verloren gegangen wäre (womit auch die Arbeit der Referent*innen etc nochmals eine grundlegende Würdigung und Potenzierung erhält – statt 30 Leuten bei der realen Veranstaltung hören dann 2.000-3.000 Menschen den Inhalt des Vortrags oder der Diskussion!). Zweitens ist das auch ein praktischer Schritt hin zum Abbau von Barrieren, denn viele Leute haben einfach nicht die Möglichkeit (Zeit, Kapazitäten), viele Veranstaltungen zu besuchen und bekommen so durch uns doch noch die Chance, sich mit den Inhalten vertraut zu machen.
Anna: Und noch ein ganz wichtiger Aspekt, der bislang überhaupt nicht zur Sprache kam: Wir haben ja vorhin über unsere Audios gesprochen. Dabei haben wir allerdings nicht erwähnt, dass wir Audios nicht nur auf Deutsch veröffentlichen. Das trifft zwar auf den Monatspodcast zu, aber daneben veröffentlichen wir auch regelmäßig Audios auf Englisch und auf Spanisch. Das heißt, wir führen auch Interviews in anderen Sprachen, versuchen dann jedoch, diese Audios zeitnah in allen drei Sprachen zu veröffentlichen. Praktisch läuft das so, dass wir das Originalaudio nehmen und je nach Sprache sogenannte Voice-overs (gesprochene Übersetzungen) drüberlegen, um die Inhalte Leuten zugänglich zu machen, die die ursprüngliche Sprache nicht beherrschen. Wir sind selbst ein multilinguales Kollektiv und internationale Arbeit ist eines unserer Kernthemen. Und auch hier lassen sich zwei große Bereiche unterscheiden.
Zum einen geht es uns darum, Informationen über Kämpfe, die woanders auf dem Globus passieren, auch hier bekannt zu machen, aber auch Sachen, die hier passieren, anderen Leuten näherzubringen. Das ist dann bspw. ein Interview zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, auf Spanisch geführt, (von Freund*innen in Spanien) transkribiert, (von Freund*innen in den USA) ins Englische übersetzt und eingesprochen, von uns wieder zusammengesetzt und dann bei einem Freien Radio in Neuseeland ausgestrahlt. Das ist die Art internationaler Zusammenarbeit, die wir uns vorstellen.
Zum anderen geht es uns aber auch um eine ganz konkrete Verbreitung des Mittels Radio. Zu diesem Zweck sammeln wir Geld (mit Spendenkampagnen, Soli-Parties und Soli-T-Shirts und -Taschen), mit dem wir Aufnahmegeräte besorgen, die wir dann Projekten zur Verfügung stellen, die selbst ein Radioprojekt beginnen wollen, aber sich ein solches Gerät nicht leisten können. Auf diese Weise sind Geräte von uns überall auf der Welt im Einsatz: Chile, Brasilien, Kuba, Rojava.
Warum sind akustische Beiträge und Podcasts geeignet, das Potential zu nutzen, um sich zu organisieren und den Anarchismus als wichtigen politischen Bestandteil in die Öffentlichkeit zu tragen?
Maxi: Vorhin sprach Anna das Thema der Authentizität an. Wie Videos in anderer Weise, vermitteln auch Audios relativ leicht ein ganz anderes Gefühl von Nähe oder können es jedenfalls, während das für Texte eine hohe Kunst ist.
Zudem gibt es die Möglichkeit der Unmittelbarkeit, indem Ereignisse live begleitet werden (oder wie unserem Fall zeitnah re-live). Dadurch kann Audio eine ganz andere Rolle spielen als Mobilisierungs-, aber auch Organisierungsmittel, so soll es immer wieder Gruppen gegeben haben, die ein Live-Piratenradio extra für eine Demo organisiert haben, um den Teilnehmenden auch gleich Infos zur Umgebung, aber auch zur Polizeitaktik geben zu können.
Wie ist es in diesem Zusammenhang möglich, den Anarchismus aus dem Licht einer nicht zu verwirklichenden Utopie drängen zu können?
Anna: Das ist nicht einfach und natürlich können wir als kleines Radioprojekt nur einen kleinen Beitrag dazu leisten. Mit unseren Audios können wir jedoch Beispiele aus dem täglichen Leben, in denen Anarchie und selbst organisiertes Leben funktionieren, einfach und eingängig vorstellen. Wir zeigen damit, dass es eben doch geht und Anarchie keine Utopie bleiben muss.
Was sind die Kriterien für einen Beitrag im euren Podcast?
Maxi: Wir haben keine festgeschriebenen Kriterien, aber natürlich können sie unserem eigenen Selbstverständnis nicht komplett zuwiderlaufen. Aber wie oben bereits erwähnt, sind wir ja recht pluralistisch. Wir schauen, was passiert ist oder vorausschauend für einen künftigen Podcast was demnächst vielleicht passieren wird. Manche Themen sind uns so wichtig, dass wir diskutieren, wer was dazu machen kann. Bei anderen hängt es eher von der Motivation der einzelnen Mitglieder im Kollektiv ab. Da spielt uns unsere Diversität in die Hände!
Anna: Und natürlich spielt es auch eine Rolle, wo wir Audios herbekommen können, sprich ob jemand von uns da sein konnte, ob wir jemanden kennen, der*die uns ein Interview dazu geben kann usw. Wir ziehen Beiträge mit Athmos oder O-Tönen definitiv vor. Vorgelesene Texte aus Büchern oder dem Internet gibt es bei uns praktisch gar nicht. Wir finden das eine langweilige Art, Inhalte zu vermitteln, besonders weil es in unserem Medium ja um Töne geht.
Maxi: Ansonsten haben wir natürlich auch den zeitlichen Umfang im Blick, denn unser Podcast ist immer genau eine Stunde lang, damit er in unseren Radioslots spielbar bleibt. Sprich, das Fokusthema kann auch mal 20 oder 25 Minuten bekommen, die anderen Beiträge im Podcast sind aber meistens zwischen 5 und 15 Minuten lang, manche sogar kürzer. Und dann nehmen wir ab und an Musik mit rein, oder diese steckt bereits in Beiträgen drin.
Medien nehmen eine nicht unwichtige Rolle ein, wenn es um Durchsetzung von Ideologien und politischen Interessen geht. Trifft das auch auf euch zu?
Anna: Du meinst, ob wir das Radio nutzen wollen, um unsere Interessen durchzusetzen? Naja, wir sind ein anarchistisches Radioprojekt. Klar wollen auch wir unsere politischen Interessen verbreiten, aber von oben durchsetzen oder Leute indoktrinieren, das ist nicht Teil unseres Konzepts als libertäres Medium.
Maxi: Und da wir nach wie vor wohl eher ein Szenemedium sind, gibt’s bei uns keine bissigen Kolumnen, die auf Andersdenkenden herumhacken. Wir nutzen dafür lieber Satire und Ironie, um die Mächtigen und ihre Gedankenwelt auf die Schippe zu nehmen.
Das Internet bietet in erster Linie neue Möglichkeiten der (Gegen-)Öffentlichkeit, hier konkurrieren professionell und nicht-professionell erzeugte Kommunikationsmodi. Welche kommunikative Möglichkeiten bietet euer Podcast insbesondere für soziale Bewegungen und Protestformen?
Anna: Zunächst einmal geht es bei uns ja um Audios. Und obgleich, zumindest theoretisch, jede*r eine Pressemitteilung schreiben kann, lässt sich das nicht einfach auf den Audiobereich übertragen. Sprich: Wir sind an der Stelle in der Lage, Gruppen, Projekte oder Events mit etwas zu unterstützen, was die meisten nicht selbst leisten können. Und uns geht es wirklich überhaupt nicht darum, uns selbst reden zu hören. Viel lieber lassen wir Andere zu Wort kommen. Deswegen sprechen wir meistens mit Leuten, die direkt an etwas beteiligt sind. Selten versuchen wir selbst, unseren Hörer*innen die Welt zu erklären.
Maxi: In diesem Sinne ist es schon ein Mitmach-Projekt, da die Grundlage unsere Audios die Kooperation von anderen Menschen ist. Und das ist eine reziproke Beziehung, d.h. wir erfreuen uns an den Inhalten, die uns andere mit ihrer Stimme zur Verfügung stellen, und sie erfreuen sich daran, dass wir keine Inhalte verzerren oder gar aus dem Zusammenhang reißen. Für soziale Bewegungen und Politgruppen bietet unser Podcast auf jeden Fall die Möglichkeit, uns als Kommunikationsplattform zu nutzen. Wir werden auch des Öfteren angefragt, ob wir eine bestimmt Aktion oder eine Aktionswoche begleiten wollen. Wir sind für sehr viele Dinge offen, offen parteiisch für linksradikale, anarchistische Positionen und stellen deswegen meistens eher die sympathischen Fragen. Solidarische Kritik hat schon auch ihren Platz, aber wie gesagt, wir sind eher ein Szenemedium… Ansonsten versuchen wir eigentlich, mit den Menschen die wir z.B. interviewen auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Dazu gehört auch, dass unsere Fragen diskutabel sind und wir versuchen, eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen.
Libertäre Alternativmedien schaffen eine zunächst eine kleine Gegenöffentlichkeit, sie veröffentlichen Informationen, die in den Massenmedien nicht oder nur in kleinen Dosen vorkommen. Was sind trotzdem die Vorteile alternativer Medien gegenüber Massenmedien?
Anna: Den ersten Vorteil hast du schon angesprochen. In Alternativmedien wie dem unserem haben Meinungen und Informationen Platz, die sich in Mainstreammedien eher nicht wiederfinden. Ein anderer Gesichtspunkt ist die Organisationsform unseres Mediums. Es gibt keine Chefredakteur*innen oder jemanden, der bestimmt über was und wie berichtet wird. Wir entscheiden alles selbst und haben so die Freiheit unseren Podcast so zu gestalten, das er uns und hoffentlich auch unseren Hörer*innen gut gefällt.
Maxi: Darüber hinaus hängen wir von keiner Institution und keinen Geldgeber*innen ab. Das wenige Geld, was unser Projekt kostet, bringen wir locker aus eigener Tasche auf. Damit kann auch niemand von außen Einfluss nehmen und wir sind auch nicht in der Gefahr, durch Selbstzensur es potentiellen Geldquellen recht machen zu wollen.
Und welche Perspektiven libertärer Gegenöffentlichkeit bietet ihr an?
Anna: Wenn du Perspektiven als Meinungen verstehst, dann natürlich unsere.
Aber auch die unserer Gesprächspartner*innen, mit denen wir uns solidarisch zeigen und denen wir unser Medium als Sprachrohr bieten.
Maxi: Wenn du Perspektiven als Möglichkeiten für die Zukunft meinst, dann wäre es jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt, um kurz auf die internationale Radiovernetzung sprechen zu kommen.
Anna: Und Channel Zero…
Maxi: Okay, dann sag ich kurz was zur Radiovernetzung. Wir haben dieses Projekt vor etwa 5 Jahren mit angestoßen, mittlerweile beteiligen sich mehr als 20 anarchistische und antiautoritäre Radioprojekte, Live-Sendungen, Podcasts und teils auch ganze Radiosender, aus aller Welt an der Vernetzung /faktisch sind es aktuell Projekte aus Europa und den Amerikas). Jedes Jahr gibt es ein Treffen, das letzte fand gerade im Mai 2018 in Berlin statt. Neben praktischem Austausch von Know-how dient die Vernetzung dazu, uns bei der Herstellung von Öffentlichkeit zu helfen, aber auch um gemeinsame Projekte zu stemmen. Das wichtigste Projekt, das bislang dabei entstanden ist, nennt sich „Bad News“3 und ist eine monatliche Infosendung auf Englisch, mit Beiträgen von Projekten der Vernetzung. Diese kommt sehr gut an und wir haben die leise Hoffnung, in Zukunft auch eine Version auf Spanisch machen zu können.
Anna: Und dann wurden wir eingeladen, bei Channel Zero4 mitzumachen, einem Projekt englischsprachiger, anarchistischer Podcasts, und weil wir ja auch Sendungen auf Englisch haben, durften wir mitmachen. Das Konzept ist ein 24/7-Livestream, der sich aus den Inhalten der einzelnen Projekte zusammensetzt und besonders in den USA großen Anklang gefunden hat.
Um in gesellschaftlichen Angelegenheiten mitentscheiden, mitreden zu können, um daran arbeiten zu können, eine freie Gesellschaft vorzubereiten, muss mensch zunächst einmal informiert sein.
Welche Relevanz haben kritische, libertäre Medien in unserer Gesellschaft?
Maxi: Leider noch eine viel zu kleine. Wir bleiben ja doch oft selbst viel zu viel in unserer eigenen Echokammer verhaftet. Außerdem ist größer und bekannter werden ziemlich viel Arbeit. Uns gibt es jetzt seit einigen Jahren, unser Podcast wird pro Monat etwa 1.500-2.000 Mal heruntergeladen, manche alleinstehende Audios sogar bis zu 4.000 Mal. Manche Leute würden da auf jeden Fall von einem bekannten Medium, zumindest im Podcastbereich, sprechen. Das hat auch alles ziemlich lange gedauert. Wir sehen uns trotzdem immer noch als sehr kleines Medium.
Anna: Und es ist ja auch kein Geheimnis, dass wenn alternative Medien dem Staat ein Dorn im Auge sind, sie auch kriminalisiert werden. Früher war es die radikal, heute linksunten.indymedia. Und das weit vor irgendeinem Zeitpunkt, wo wir große mediale Relevanz in der Gesellschaft entwickelt hätten.
Warum sollte die Entwicklung von Medienkompetenz in der Abkehr von einer nur passiv orientierten Nutzung von Medien zu einem aktiven, kritisch-reflexiven und diskursiven Gebrauch der Medien bestehen?
Maxi: Partizipation und Partizipationsmöglichkeiten sind für uns essentiell für eine freie Gesellschaft und für den Weg dahin. Wir wünschen uns für die Zukunft, dass jeder Mensch selbst Entscheidungen treffen kann. Dafür ist es auf jeden Fall notwendig, Medien kritisch zu betrachten und Informationen zu hinterfragen. Ganz besonders in einer Zeit der Fake-News.
Anna: Vielleicht klang es ja auch schon durch…Wir sind sehr an stärker interaktiven Formaten interessiert. Als Live-Sendung wäre zumindest dieser Teil einfacher. Denn für ein Offline-Projekt wie wir, ist direkte Partizipation schwer umzusetzen. Eine realistische Option wäre es wohl, künftig einfach öfter auf Livestreams zu setzen. Beim letzten internationalen Radio-Vernetzungstreffen haben wir viel Erfahrung damit gesammelt, als wir alle 14 anwesenden Projekte gemeinsam eine 9-Stunden-Sendung im Stream organisiert haben.
Medien sind Mittel zum Zweck. Sie besitzen einen Eigenwert in der Gestaltung, einen eigenen Reiz oder eine eigene Aussagekraft. Welche kreativen Ansätze habt ihr/nutzt ihr und wie lassen sich diese mit dem Podcast umsetzen?
Maxi: Unsere Beiträge sind sehr divers. Obgleich die häufigste Ausdrucksform definitiv das Interview ist, spielen wir auch mit anderen Formaten, die sich in der Podcastform am besten umsetzen lassen (im Gegensatz etwa zu einer Live-Sendung), da du Zeit hast, um richtig am Audio rumzubasteln. Rauskommen tun dann Reportagen mit Live-Charakter, Collagen aus Stimmen, O-Tönen und Sounds oder richtige Hörspieleinlagen, wo wir Szenen nachempfinden oder Geschichten erzählen. Dann natürlich Formate wie unsere alternative Presseschau „Wo herrscht Anarchie“ oder ein Linktipp.
Anna: Auch inhaltlich ist die Diversität anzutreffen, da wir natürlich einen Berlin-Fokus haben, aber uns keineswegs darauf beschränken. Wer unsere Podcasts hört, weiß, dass wir regelmäßig bemüht sind, auch überregional und auch international zu berichten. Auch thematisch setzen wir uns keine Grenzen: Von der allgegenwärtigen Gentrifizierung zu christlich-fundamentalistischen Märschen, Aktionstagen gegen Google oder Amazon bis zu anarchistischen Gefangenen und Protesten gegen den Goldabbau in Rumänien – alles ist schon im Podcast vorgekommen. Wichtig ist uns nur, dass ein libertärer Blickwinkel dabei ist und eine entsprechend kritische Sichtweise.
Im Archiv ist der libertäre Podcast seit Oktober 2012 abrufbar. Das ist ein relativ langer Zeitraum für regelmäßige Podcasts. Was sind die Gründe für dieses kontinuierliche Engagement?
Maxi: Ich würde die Frage umdrehen, also: Warum gibt es einen monatlichen Podcast? Als wir am Anfang unsicher waren, wie wir uns motivieren können, ohne eine festen Sendeplatz (und dessen klarer Vorgabe, etwas Bestimmtes zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllen zu müssen), entschieden wir uns für den monatlichen Podcast, nicht nur, um Freien Radios einen regelmäßigen Output zu garantieren, sondern eben auch als Möglichkeit, uns selbst kontinuierlich motivieren zu können, indem wir uns eine klare Zielvorgabe geben.
Anna: Darüber hinaus haben wir aber auch einfach Spaß daran und sehen auch, dass Menschen unseren Podcast tatsächlich anhören. Auf archive.org lassen sich unsere Downloadzahlen jederzeit nachschauen. Und das motiviert natürlich, wenn wir sehen, dass es auch gehört wird. Gelegentlich, aber leider viel zu selten, bekommen wir auch Feedback per Mail, bei Twitter oder über ein persönliches Gespräch. Das bestärkt uns noch zusätzlich. So oder so haben wir das Gefühl, dass es ein Projekt wie das A-Radio aktuell unbedingt braucht, weswegen wir auch nicht mit dem Gedanken spielen aufzuhören.
Es gab von Anfang an Beiträge, die neben einer libertären Perspektive auch mittels Satire erstellt wurden. Hat sich diese Mischung als Konzept für euch bewahrt?
Maxi: Das ist eine komplexe Frage…Für uns war es auf jeden Fall von Anfang an wichtig, den eher „ernsten“ Teilen des Podcasts ein Pendant zu geben, der nicht so schwer lastet, sondern womöglich auch für Erheiterung sorgt.
Anna: Die Welt, über die wir berichten, ist ja leider allzu häufig voll von beschissenen Sachen. Wir hatten die Befürchtung, dass das auf Dauer deprimierend sein könnte.
Maxi: Zumal die Satire als Mittel auch andere Lesarten von News erlaubt bzw. uns auch in die Lage versetzt, die Gedankenwelt von, sagen wir mal, rechten oder konservativen Leuten auf kreative Art und Weise zu beleuchten.
Anna: Um zurück zu deiner eigentlichen Frage zu kommen: Wir würden schon sagen, dass sich die Mischung als gut herausgestellt hat, wobei Satire auch eben totale Geschmackssache ist. Wir haben auch schon satirische Formate abgesetzt, weil Hörer*innen das nicht gut fanden. Insgesamt lässt sich aber auch beobachten, dass der satirische Anteil zurückgegangen ist. Einen Satirebeitrag zu schreiben, ist einfach sehr viel Arbeit (und auch nicht für jede*n was). Je mehr Projekte wir in Angriff genommen haben, desto weniger Zeit blieb für vergleichsweise aufwändige Satire-Beiträge.
Maxi: Nur „Wo herrscht Anarchie“ ist uns durchgängig erhalten geblieben, eine Rubrik, in der wir die Verwendung der Floskel „Es herrscht Anarchie“ durch die Medien versuchen wörtlich zu nehmen und durch den Kakao zu ziehen.
Fußnoten:
1. Synthetischer Anarchismus oder Synthetische Föderation ist eine Form anarchistischer Organisation, ein Zusammenfinden freier Menschen, die Ziele und Regeln für ihr Zusammenwirken aufstellen. Allgemeines Ziel einer anarchistischen Föderation ist Ideen zu verbreiten – wie die anarchistische Analyse von Gesellschaft und aktuellen Entwicklungen, libertäre Formen der Organisierung, direkte Aktion und Solidarität.
2. Die Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA) ist ein Zusammenschluss von anarchistischen Gruppen, lokalen Föderationen und Netzwerken, sowie einigen Einzelpersonen.
3. Audioeinführung zu Bad News (Englisch)
4. Channel Zero Network